22/01: Tiere brauchen Dunkelheit

AZ-Forum-Beitrag 4. Februar 2022 von Thomas Feer, Präsident Grüne Weinland

Dunkelheit ist der Lebensraum mancher Tiere. Füchse gehen in ihr Streifgebiet, Amphibien wandern zu den Laichplätzen, Igel suchen nach Käfer, Insekten suchen Paarungspartner und Fledermäuse jagen nach Futter. Ja, die Nacht lebt. Und die Sinne der Tiere sind für die Nacht spezialisiert.

Wir Menschen sind bei Tageslicht aktiv. Auch wenn wir die Mondnächte romantisch verklären und in Nächten in Stimmungen kommen, die manche Geschichten schaffen, dann nutzen wir die Nacht oft mit Licht zusammen. Wir orientieren uns hauptsächlich mit den Augen, etwas mit den Ohren und dann auch mit Gerüchen und Wärme.

Tiere sind spezialisiert für die Nacht. Igel sehen sehr schlecht, riechen aber Insekten in der Erde. Frösche sehen das Licht 1‘000 Mal stärker als Menschen. Sie bewegen sich zielsicher in der Dunkelheit. Fledermäuse beschallen die Nacht mit Schreien und orientieren sich am Echo. Jedes Tier hat seine Sinne für die Nacht.

Was geschieht, wenn wir Menschen die Nacht zum Tag machen? Die Schnittstelle der Natur zu uns Menschen ist die Strasse oder die Sportbeleuchtung. Wir kennen das Bild der leuchtenden Laternen, die von Insekten bevölkert werden. Ja, dieses Bild gehört bald der Vergangenheit an. Denn die Insekten verbrennen sich an den Glühbirnen oder tanzen bis zur Erschöpfung. Ihr Ziel, sich zu vermehren, scheitert kläglich – an der Strassenbeleuchtung. Jahre später gibt es deutlich weniger Insekten.

Forschungen belegen diese Vorgänge. Die Quartierbeleuchtung wird zur tödlichen Falle für die Nachttiere. Die Fledermäuse finden keine Insekten mehr und können ihre Jungen nicht ernähren. Die Frösche werden vom Streulicht der nächsten Siedlungen gestört. Ihr Paarungsdrang ist irritiert und der Nachwuchs wird nicht befruchtet. Zudem wird das Immunsystem durch das Licht geschwächt, was den Krankheitstod erhöht.

Um all diese negativen Auswirkungen zu dämpfen gibt es einfache Lösungen. So etwa ist die Leuchtdauer der Strassenbeleuchtung zu reduzieren. In Truttikon und Ossingen brennt – aus anderen Gründen – die Beleuchtung nur bis 23:00. Weil grün-gelbes Licht Insekten und Tiere anlockt, sollten andere Farben eingesetzt werden. Immerhin weiss man heute, dass rötliches Licht von nachtaktiven Tieren kaum gesehen wird. Eine rötliche Strassenbeleuchtung wäre auf jeden Fall ein Schutz für Nachttiere.

Statt die Strassenbeleuchtung über Stunden brennen zu lassen, könnte diese bei Passanten und Fahrzeugen abschnittweise aufleuchten. Bei Bedarf würde ein rötliches Licht die Zwischenzeit abdecken. Mit modernen LED-Leuchtsystemen wäre ein Wechsel von tierfreundlichem Licht zu hellen Leuchten automatisch machbar. Diese Massnahmen sind für die Biodiversität ein echter Gewinn. Sie nützen mehrfach: Sie sparen Strom, sie schützen die Tierwelt und sie sind gut für die Pflanzen, die rotes Licht für das Wachstum benötigen. Und die Lichtsteuerung könnte saisonal – März bis September etwa – zugeschaltet werden. Technik und Wissen kann die Biodiversität schützen.